Wasser in Bärstadt

 

 

Ausreichend Wasser vor Ort zu haben, war immer eine der Voraussetzungen für die Ansiedlung von Menschen. Dies ist hier in Bärstadt seit Gründung des Ortes vor über tausend Jahren durch natürliche Vorkommen gegeben.

 

Bis vor dem Anschluß an die Fernwasserleitung vor 2 Jahren (6. 4. 2009) war Bärstadt noch eine der wenigen Gemeinden im Kreis, die den Wasserbedarf ihrer 1400 Einwohner aus eigenen Quellen und Brunnen decken konnte.

 

Und im Grunde war das auch nach dem Anschluß ans Fernwasser bis zum Unglück im Brunnen IV im November 2011 noch der Fall. Die gleiche Menge an Ried/Rheinwasser, die von der neuen Fernleitung in den Hochbehälter Bärstadt gepumpt wurde, wurde dann (nach der Mischung mit dem Bärstadter Wasser) nach Hausen weitergeleitet.

 

Dieser Artikel soll einen kurzen Abriss über die Geschichte und Nutzung der Quelle und der Brunnen geben. Neben den öffentlichen Quellen waren es vor allem Klaus Münzer und Heinrich Groß, die mit „altem Wissen“ zur Entstehung beitrugen.

 

 

Die Schürfung „Am Tiergarten“

 

Hier befindet sich der Quellgrund des kurzes Wasserlaufs der Walluf, die dem Ort, an dem er in den Rhein fließt, den Namen gab. Es lag auf der Hand diese Quelle zu fassen, die wasserführenden Schichten durch Schürfarme zusammenzuführen und für die Trinkwasserversorgung zu nutzen. Die Schürfung liegt höher als der alte Siedlungskern und versorgte so ohne großen technischen Aufwand (Schwerkraft statt Pumpen) über ein einfaches Rohrsystem die Häuser des alten Bärstadt. Lange Zeit war für Bärstadter dieses Wasser kostenlos.

Es war der Plan der Wasserversorger diese Quelle zu schließen, wenn die Fernleitung kommen sollte.  Die „Bürgerinitiative Wasser Schlangenbad“ verhinderte dies durch massives Einschreiten bei den Umwelt- und Straßenbaubehörden, die schlußendlich die erforderlichen Ausbaumaßnahmen an der vorbeiführende Landesstraße L 3037 vornahmen, um die Quelle zu schützen.

 

Die Schürfung „Am Tiergarten“ wird gesondert aufbereitet (Wasserhaus an der Zimmerei am Ortsausgang) und bringt über 30 % des Eigenwassers. Nachts wird dieses Wasser indirekt über das Ortsnetz in den Hochbehälter gepumpt.

 

Dieser Hochbehälter liegt im NW oberhalb des Dorfes in Verlängerung des Kemeler Wegs. Dort befinden sich 2 Kammern á 200 m³, die Druckanlage für das höher gelegene Wochenendgebiet und die Pump- und Verteilungsstation fürs Fremdwasser.

 

Eine eigene Leitung vom Tiergarten dorthin und eine zentrale Aufbereitung wären eigentlich Standard einer modernen Wasserversorgung.

 

 

Brunnen I (Feuerwehr)

 

Hier gibt der Standort der Kirche einen entscheidenden topografischen Hinweis zum Wasser. Die Martinskirche steht trocken auf einer Wasserscheide im Ort, die die Wasseradern, die von der Höhe kommen, teilt und sie nördlich zur Katzbach und südlich zur Walluf führt. Geht man von der Kirche aus die Schützenstraße hoch, stößt man direkt auf den Brunnen I, der 12 Meter tief ist, aber schon nach 3 -4 Metern auf das Grundwasservorkommen dieser Ortslage stößt. Dieser Brunnen dient inzwischen - nach der umliegenden Bebauung - nicht mehr der Trinkwassergewinnung, führt aber immer noch so reichlich Wasser, daß Landwirte selbst aus benachbarten Orten bevorzugt im Hochsommer aus dem Brunnen hektoliterweise ihre Wassertanks befüllen.

 

Ein außenliegender Trog (Laufbrunnen) ermöglicht auch den Einwohnern dort am Feuerwehrgerätehaus Wasser zu holen.

 

Im weiteren Verlauf der Schützenstraße aufwärts, treten linkerhand immer noch zeitweise Wasseradern aus und müssen gefasst und der Katzbach zugeführt werden. Einen ebenfalls dort befindlichen „Sauerborn“ zu fassen und einer Nutzung zuzuführen, schlug1938 fehl. Die Quelle verschwand bei der vorbereitenden Sprengung des umgebenden Gesteins.

 

Der Hirschborn

 

Im „Unterdorf“ von Bärstadt südlich der Walluf befindet sich der wohl älteste Brunnen Bärstadts. Er ist nur etwa 3,6 m tief und lieferte nach Auskunft alteingessener Mitbürger selbst in den trockensten Sommern immer kühles Wasser. Dies nutzten die Bärstadter früher unter anderem zum Kühlhalten von Butter. Der über eine gewendelte Treppe zu erreichende Born, der sein Wasser aus einem felsigen Quellgrund (dem Kippel) bezieht, war früher ein reiner Schöpfbrunnen. Später um 1930 wurde er komplett ausgemauert und auf Straßenniveau mit einem Betondeckel versehen. So wurde das Wasser in einem Reservoir gefasst. Der Überlauf wurde unterirdisch zu einem 120 m entfernten gußeisernen Trog an der Wallufstraße geführt, aus dem man auch heute noch bequem Wasser entnehmen kann, zumal er immer von den Anwohnern gut gepflegt wird.

 

Als einmal vor Jahrzehnten ein umgekippter Güllewagen die Schürfung „Am Tiergarten“ lahmlegte, behalfen sich die Bärstadter, indem die Feuerwehr vom Hirschborn aus das Wasser hoch zur Fassung der Wallufquelle pumpte, bis die Schürfung wieder genießbares Wasser lieferte.

 

Brunnen II (Braumbach) und Brunnen III (Hessbach)

 

Diese beiden Brunnen an den Ufern der Bäche Braumbach und Hessbach wurden nach dem Weltkrieg gebohrt, um die wachsende Ortschaft sicher mit Wasser zu versorgen. Sie sind noch heute in Betrieb und liefern das Wasser in die Aufbereitungsanlage in der Nähe des Brunnen II. Diese ist über den Feldweg, der hinter dem Friedhof nach Norden führt zu erreichen. Von der Wasseraufbereitungsanlage wird das Trinkwasser in den Hochbehälter gepumpt.

 

Die beiden Bohrungen sind in die Jahre gekommen und gelten als sanierungsbedürftig.

 

Wasser = Siedlungspolitik

 

In den siebzig- und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts war der Glaube verbreitet, die Kommunen könnten sich mit der Ausweisung von Baugebieten „über Wasser“ halten.

 

Folglich wurden keine Kosten gescheut, die dafür erforderliche Wassermenge vorzuhalten, die dem damals angenommenen Tagesverbrauch von 200 Litern pro Einwohner Rechnung tragen mußte, denn das war amerikanischer Standard.

 

Heute liegt der tägliche Verbrauch in Bärstadt deutlich unter 100 Liter pro Kopf.

 

 

Brunnen IV (nach Defekt bei Wartungsarbeiten im Nov 2011 stillgelegt)

 

In Verlängerung der Schützenstraße führt nach dem Schützenhaus die Bad Schwalbacher Straße abwärts ins Braumbachtal. Hier findet man linkerhand im Quellgrund des Braumbachs die Tiefbohrung des Brunnen IV, die Wasser aus einer Tiefe von über 200 m an die Oberfläche pumpt. Schon bei der aufwändigen Bohrung dieses Tiefbrunnens stand fest, daß er dem Brunnen II das Wasser abgraben würde. Der Brunnen IV lieferte bis zur Stilllegung 40 % des Eigenwassers in bester Trinkwasserqualität und dies wurde ohne Aufbereitung direkt in den Hochbehälter Bärstadt eingespeist.

 

Eine Sanierung oder Neubohrung dieses Brunnens oder aber dauerhaft noch mehr Fremdwasser zu beziehen, das ist zum Jahreswechsel 2012 die Frage.

 

 

Der Lindenbrunnen

 

Im neugestalteten Ortskern findet man neben der Tanzlinde einen gusseisernen Laufbrunnen ähnlich dem im Unterdorf. Der Lindenbrunnen wurde von einer Schürfung im Klauergraben (klau =feucht) gespeist und versiegte, als dort die neue Schule und der Kindergarten gebaut wurden.

 

Erst eine Neufassung der verbliebenen Schürfungsteile beim Bau des Buskreisels ließ den Brunnen wieder laufen. Da dieses Wasser aus sehr niedrigen Wasserschichten stammt und teilweise Oberflächenwasser von der Straße eindringen kann, ist hier das Schild „Kein Trinkwasser“ wirklich angebracht.

 

Durch das beruhigende Geplätscher hört man, daß in und um Bärstadt viel Wasser ist. Dies wird auch so bleiben, es gilt nur diesen Vorteil in Maßen zu nutzen.

 

 

Werner Kleefeld, Mai 2011

Überarbeitet im Dezember 2011