Die Glocken der Martinskirche zu Bärstadt

 

Glockenklänge :     Glocke Anna         Glocke Maria         Glocke Maria Vocor         Alle drei Glocken    

 

“ Festgemauert in der Erden, steht die Form aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden, Frisch Gesellen, seid zur Hand. Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß. Soll das Werk den Meister loben, doch der Segen kommt von oben. “(Schiller/ Die Glocke)

Glocken läuten zu den vielfältigsten Anlässen. Man läutet jeweils zu kirchlichen und weltlichen Anlässen die Bet-, Angelus-, Friedens-, Vaterunser-, Tauf-, Toten-, Kreuz-, Evangelien-, Wandlungs-, Festtags-, Wetter-, Irr-, Pest-, Zins-, Rats-, Stadt-, Stadttor-, Uhren-, Richt-, Mord-, Revolutions- und viele weitere Glocken mit dem Namen des jeweiligen Anlasses. Zum Läuten für Gottesdienst und Gebet, aber auch zum Ordnen des städtischen Lebens bestimmt ließ sie, zur Kanone umgegossen und missbraucht, ihre todbringende Stimme auf den Schlachtfeldern Europas "erklingen".

Die Zeiten, in denen Glocken verstummten, gleich in welcher Region der Welt, gleich in welchem Jahrhundert, waren immer auch schlechte Zeiten für die Menschen. Diktatoren und Revolutionäre brachten nicht nur die Glocke zum Verstummen. Das letzte und gravierendste Beispiel dafür liegt uns sehr nahe und hat unsere Gesellschaft nachhaltig verändert.
“Religion ist Opium für das Volk“ . Deshalb war die Vernichtung der christlichen Religion auch immer die Zielsetzung von Alleinherrschern. Mit der Religion wurden auch die Stimmen der Glocke hörbar leiser, mancherorts war sie gänzlich verstummt, mit ihr die Menschen.

Die Nazis schätzen das Bronze als kriegswichtiges Gut ein. Der wahre Grund für die Enteignung der Glocken war aber ein ganz anderer. Nach dem "Endsieg" sollten nach dem ausdrücklichen Willen der Nazis nur noch 12 Glocken in Deutschland läuten: Über dem Reichstag in Berlin. Und auch bei uns ging das Schweigen der Glocken mit dem Stummwerden der Menschen und dem Dröhnen der Kanonen Hand in Hand.

Zwischen 1939 und 1945 wurden zahlreiche, z. T. auch berühmte Glocken eingeschmolzen und gingen damit für immer verloren. Insgesamt wurden etwa 90.000 Glocken nach Hamburg geschafft, von denen etwa 75.000 eingeschmolzen wurden. Nach Schätzungen sollen sich am Ende des Zweiten Weltkriegs zwischen 10.000 und 16.000 Glocken auf dem Glockenfriedhof befunden haben. Nach aufwändigen, teilweise Jahre dauernden, Identifizierungsmaßnahmen wurden die meisten Glocken wieder an ihre Heimatgemeinden zurückgegeben.

In der Martinskirche befinden sich drei Glocken:

Name:

Maria Vocor

Maria

Anna

Entstehungszeit:

1200

1468

1468

Durchmesser:

0,98m

0,80m

0,70m

Höhe:

0,98m

0,90m

 

Gewicht:

600kg

375kg

190kg

Funktion:

Glocke 1 (Betglocke)

Glocke 2 (Begleitglocke)

Glocke 3 (Totenglocke)

                                 

Am 15. März 1940 hatte Hermann Göring als »Generalfeldmarschall« und »Beauftragter für den Vierjahresplan« für das ganze Reich angeordnet, die »in Glocken aus Bronze und Gebäudeteilen aus Kupfer enthaltenen Metallmengen« zu erfassen und »unverzüglich der deutschen Rüstungsreserve dienstbar zu machen«. Die Bronzeglocken seien »anzumelden und abzuliefern«. Ziel war es, »die für eine Kriegsführung auf lange Sicht erforderliche Metallreserve zu schaffen«. Rund 80000 Glocken wurden während des Krieges von der deutschen Rüstungsindustrie zu Waffen und Munition verarbeitet.

Auch die Bärstadter mussten zwei der drei Glocken abgeben. Es handelte sich um die Maria und die Anna (siehe Nummerierung der Glocken).

Anbei die Fotos während der Abnahme aus dem Frühjahr 1943

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Glocken wurden wohl relativ früh wieder vom Glockenfriedhof in Hamburg- Veddel zurück geholt. Nach mündlichen Überlieferungen wohnte im Haus Hauptstraße 3, dem Geburtshaus von August Krieger, übergangsweise ein Wehrmachtsoffizier aus Hamburg. Dieser soll bei einem Heimaturlaub die Glocken dort entdeckt haben. Ob die Geschichte wahr ist lässt sich leider nicht mehr genau recherchieren.

 

 

Die Glocken wurden im Juli 1947 wiederaufgehängt und läuten wieder bis heute. Die Glocken wurden zunächst mit Seilen bedient. Hierfür war der Glöckner und Küster zuständig. Diese Aufgabe übernahm bis zu seiner Krankheit 1955 Philipp Schäfer. Diese Funktion brachte ihm und dann später auch seiner Familie den Beinamen „Gleckner“ ein. Da Philipp Schäfer schon alt und gebrechlich war mussten die beiden Enkel Heinz und Werner Schäfer oft mithelfen. Ansonsten wäre das Läuten von mehr als einer Glocke auch gar nicht möglich gewesen. Ebenso mussten die Faltbälge für die Orgel bedient werden, was schweißtreibend war.

Übrigens wird nach einer festen Läutordnung geläutet. Je nach Anzahl der Glocken und Zugehörigkeit der Glaubensgemeinschaft ist diese in den Gemeinden unterschiedlich.

Die Uhrzeit wird mit der Glocke 2 stündlich geschlagen. Nach der Anzahl der Stunden erfolgt die Anzahl der Schläge. Die Viertelstunden werden mit einem, zwei oder drei Schlägen geläutet. Außerdem wird wochentags um:

12:00 Uhr        Glocke 2                                             2 Minuten (Montag-Samstag)

18:00 Uhr        Glocke 2                                             2 Minuten (Montag bis Freitag)

 

Das Einläuten der Sonn- und Feiertage erfolgt am Tag zuvor:

16 Uhr             Alle drei Glocken                               10 Minuten lang

Hauptgottesdienst an Sonn- und Feiertagen:

8.30 Uhr          Glocke 1                                            3 Minuten

9:00 Uhr          Glocke 3                                            3 Minuten

9:20 Uhr          Glocke 1+2+3                                               10Minuten

Vaterunser      Glocke 2

Nebengottesdienste, Andachten, Kirchenmusiken:

½  Stunde vor Beginn                        Glocke 2                     5 Minuten

5min vor Beginn                     Glocke 2+1                 5 Minuten

Trauung:

5 min vor Beginn                    Glocke 2+1                 5 Minuten

Ausläuten:

13:00 Uhr                               Glocke 1                     3 Minuten

Beerdigung:

5 min vor Beginn                    Glocke 1                     5 Minuten

Silvester:

00:00                                      Glocke 1+2+3             10 Minuten

Gründonnerstag:

Letzter Uhrschlag um 20:00 (mit dem Abendmahl)

Karfreitag:

Kein Uhrschlag, kein automatisches Läuten

Karsamstag

Kein Uhrschlag, kein automatisches Läuten

Ostersonntag:

Erster Uhrschlag um 8:15 Uhr