Hochzeit

Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.

(Friedrich Schiller)

 

 

Diese Verse sind den Bärstadter Hochzeitswilligen bestimmt mit auf den Weg gegeben worden als sie sich anschickten zu heiraten...

Die Bärstadter Paare lernten sich oft schon in der Schule kennen. Hin und wieder kam der  oder die Zukünftige aus dem Nachbarort oder wie nach dem Krieg als Heimatvertriebene z.B. aus dem Sudetenland. Wir haben die „alten“ Bärstadter gefragt ob ihre Eltern Einfluss auf die Wahl des Ehepartners genommen haben. Überwiegend wurde dies verneint. Jedoch wurde auf die Konfession geachtet und ob jemand „e Sach hat“, also ob jemand etwas mit in die Ehe einbrachte.

 

Die Jugendlichen und Junggebliebenen trafen sich entweder tagsüber bei der Arbeit oder abends unter der Linde, man holte sich ein Stück Fleischwurst beim Metzger Matonia und kam unter der Linde ins Gespräch. Beliebt war natürlich auch die Kerb oder Fasching, da man hier ausgelassen feiern oder tanzen konnte. Außerdem konnte man beim Gesangverein den oder die Auserwählte treffen.

 

Gesangverein mit dem Chorleiter Georg Jung beim Singen

 

 

Hatte sich ein Paar gefunden stand zunächst die Verlobung an. Der voreheliche Verkehr wurde von den Eltern nicht gern gesehen. Im hinteren Teil des Pfarrhofs stand die ehemalige Pfarrscheune. Diese hatte zwei Eingänge. Einen vom Kirchhof und einen vom Pfarrhof aus. Die Scheune diente zunächst für die Unterbringung des Kirchenzehnten. Später konnte die Scheune von Bärstadtern genutzt werden die zu wenig Platz hatten und Heu oder Getreide dort einlagerten. Da der rückwärtige Eingang der Scheune nicht einsehbar war, nutzten es die Liebespaare um ungestört zu sein. Sehr zum Unwohl von Pfarrer Richter. Dieser forderte die Scheune wegen baulicher Mängel abzureißen, was dann auch geschah...

 

Der Polterabend wurde überwiegend am Samstagabend gehalten. Viel war es nicht was gepoltert wurde. Eine alte Tasse ohne Henkel, ein Teller mit Sprung oder ein paar alte Flaschen. Erst nach dem Krieg wurde aus dem alten Bärstadter Schuttplatz Poltergut angekarrt, sehr zum Unmut der Brautleute. Nach Berichten zu Folge, brachte Paul Gräser  zum Poltern ein Sofa mit, hierfür wurde ihm vom Schlachter Karl (Karl Schneiders zweite Hochzeit) das sogenannte „Pissdippche“ über den Kopf geschüttet...

 

Die nächsten Verwandten feierten dann noch etwas im Hause der Brautleute und den übrigen Gästen wurde nach Möglichkeit ein Bier spendiert in einer der drei Wirtshäuser im Ort. Damals brachte die Braut noch eine Aussteuer mit in die Ehe. Dies war häufig etwas Bettwäsche, Handtücher oder Geschirr und Besteck. Häufig lebte das junge Paar nach der Heirat noch im Haus eines Elternteils. Vor dem Krieg war das Brautkleid oder der Anzug für den Bräutigam in den wenigsten Fällen vorhanden. Also wurde improvisiert und etwas ausgeliehen. Die Bräute trugen noch schwarze Kleider mit einem weißen Schleier, dies änderte sich erst in den 50er Jahren, dann trugen die Bräute weiß. Die Männer trugen schwarze Anzüge, auch Schuhe wurden ausgeliehen.

 

         

 

Innenansicht der Martinskirche zu Bärstadt im Jahr 1949 (noch mit dem alten Ofen, links)

 

Hochzeit von Lina und Phillip Kaiser Mai 1931

 

 

 

 

 

 

 

Hochzeit in den 20er Jahren, Eheleute Elli und August Köhler

 

Hochzeit von Hildegard und Alexander Kaiser November 1948

 

 

 

 

 

Hochzeit von Dina und Martin Hofmann März 1948

 

Christa und Hans-Jürgen Häuser, auf dem Weg zur Kirche, Mai 1969

 

 

 

    

 

    

Die Brautpaare Heinz und Margot sowie Werner und Hannelore Schäfer beim Standesbeamten Erich Besier

 

Hochzeit von Heinz und Werner Schäfer mit Margot und Hannelore (geb. Schneider) April 1968

 

 

Brautpaare von Außerhalb wurden am gleichen Tag standesamtlich und kirchlich getraut, somit wurde eine Anfahrt gespart. Die Einheimischen wurden meist am Vortag standesamtlich und am darauffolgenden Tag kirchlich getraut. Die Trauung fand Sonntagsmittags um 14.00Uhr in der Kirche statt. Hierzu gingen die Brautleute und die Hochzeitsgäste gemeinsam in einem Zug zur Kirche. Nach dem Krieg wurde es Brauch, dass während der Hochzeit in der Kirche, die Kinder das alte Eisentor zur Kirche zubanden. Der Bräutigam warf einige Geldstücke und bekam eine Schere zum Aufschneiden des Bandes. Der Hochzeitszug bewegte sich dann in der Regel zum Hause der Braut. Bei der Ausrichtung der Hochzeitsfeier halfen viele Verwandte und Nachbarn mit. Es wurde mit Geschirr, Besteck oder Möbeln ausgeholfen. Außerdem wurden Eier und Butter gesammelt um eine ganze Anzahl von Kuchen zu backen. Wer wenig Geld hatte holte sich mit den Lebensmittelmarken Pferdefleisch, davon gab es nämlich die doppelte Menge. Gegen 15.00Uhr wurde Kaffee  getrunken und die Verwandten und Gäste bekamen den selbstgemachten Kuchen. Allen anderen, die etwas geschenkt hatten, wurde von den

Kindern Kuchen nach Hause gebracht. Der übliche Hefekuchen wurde vom Bäcker Christian Kaiser im Haus der Brauteltern zubereitet. Nach dem Aufgehen belegten die Frauen die Kuchen und brachten sie zum Backen zur Bäckerei Kaiser. Der Hochzeitswein wurde im Rheingau geholt. Da nicht viel Geld vorhanden war, wurde z.B. Heftstroh gegen Wein getauscht. Nach einer Anekdote gab es in Bärstadt einen Vater der den Wein schon vor der Hochzeit probierte und  dann den Wein mit Wasser streckte, was jedoch auffiel und für viel Gelächter sorgte...

 

Die Mehrzahl der Bärstadter lebte von der Landwirtschaft oder man hatte ein paar Tiere. So musste also auch während der Hochzeitsfeier gegen 18.00 Uhr das Vieh gefüttert oder gemolken werden. Anschließend ging es wieder zurück zu den Hochzeitsgästen zum gemeinsamen Abendessen. Die Verwandtschaft aus den Nachbargemeinden mussten mit Einbruch der Dunkelheit den Heimweg antreten oder im Hause übernachten. Bei einer Hochzeitsfeier wurde oft nach Herzenslust  geschlemmt und gefeiert bis tief in die Nacht hinein. Die Gelegenheit war selten und wurde gern genutzt. Regelmäßig war auch der Pfarrer zur Feier eingeladen, der dann Kuchen für die restliche Familie mitnehmen durfte.

 

Die geschilderten Ereignisse sind sicherlich nicht mehr typisch für die Jahre nach 1950. Sie spiegeln jedoch die einfachen und bescheidenen Verhältnisse nach dem ersten und zweiten Weltkrieg wieder.