Die Beerdigung

 

Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben

Über allen Gipfeln ist Ruh,/ in allen Wipfeln spürtest du/ kaum einen Hauch;/

Die Vögelein schweigen im Walde./ Warte nur, balde/ ruhest du auch.

(Johann Wolfgang von Goethe)


Genau wie das Licht des Bärstadter Erdenbürgers im trauten Kreis der Familie aufging, genauso erlosch dieses Licht in der Regel im Hause der Familie.

Die alten Menschen haben meist so lange in der Landwirtschaft oder im Handwerk mitgearbeitet bis sie gebrechlich wurden. Die Großmütter- oder  Väter wurden noch gebraucht um das Kleinvieh zu betreuen oder zu kochen und die Enkel zu betreuen. Eine Altersvorsorge war in der Regel nicht vorhanden, deshalb wurden die Eltern, bzw. die Großeltern Zuhause von der Familie bis zum Ableben gepflegt.

Verstarb ein Angehöriger wurde zunächst ein Arzt gerufen um den Totenschein auszustellen. Dann wurde auch der Standesbeamte und der Pfarrer informiert. Der Leichnam wurde gewaschen und das beste Kleid oder der beste Anzug angezogen. Der/die Verstorbene blieb dann etwa drei Tage im Haus. Nach der Beerdigung wurde das Zimmer mit Wacholder ausgeräuchert. Bei Platzmangel wurde der Leichnam aber auch in der Tenne der Scheune aufgebahrt. Beim Schreiner Gustav Lehn oder Fritz Besier wurde hierzu ein Sarg gekauft.

Zur Beerdigung kamen die nächsten Verwandten ins Haus, vor dem Hoftor wartete die Trauergemeinde auf den Pfarrer und den Leichenwagen. Der Lehrer kam mit den älteren Schulkindern, die dann Lieder sangen. Es wurden z.B. folgende zwei Lieder gesungen;

 Wo findet die Seele, die Heimat der Ruh und „Auf dem Friedhof Jerusalem du hoch gebaute Stadt wollt Gott ich wär in dir“ .

Wo findet die Seele die Heimat der Ruh?
Wer deckt sie mit schützenden Fittigen (Fittichen) zu?
Ach, bietet die Welt keine Freistatt mir an
wo Sünde nicht kommen, nicht anfechten kann?
Nein, nein, nein, nein, hier ist sie nicht
Die Heimat der Seele ist droben im Licht

Verlasse die Erde, die Heimat zu sehn
Die Heimat der Seele, so herrlich, so schön
Jerusalem droben, von Golde gebaut
ist dieses die Heimat der Seele, der Braut?
Ja, ja, ja, ja dieses allein
kann Ruhplatz und Heimat der Seele nur sein

Wie selig die Ruhe bei Jesu im Licht
Tod, Sünde und Schmerzen, die kennt man dort nicht
Das Rauschen der Harfen, der liebliche Klang
bewillkommt die Seele mit süßem Gesang.
Ruh, Ruh, Ruh, Ruh, himmlische Ruh
im Schoße des Mittlers, ich eile dir zu!

Bei aller Verwirrung und Klage allhier
ist mir, o mein Heiland, so wohl stehts bei dir!
Im Kreise der Deinen sprichst „Friede!“ du aus
Da bin ich mit deiner Gemeinschaft zu Haus!
Heim, heim, heim, heim, ach ja nur heim!
O komme, mein Heiland, und hole mich heim!

Der Pfarrer sprach noch ein Gebet und der Trauerzug setzte sich in Bewegung. Auf dem Weg vom Haus zum Friedhof läutete die Totenglocke. Der Leichenwagen wurde üblicherweise mit einem Pferd gezogen und von einem Nachbarn gefahren, der den Leichenwagen aus dem kleinen Gemeindehäuschen neben der Bäckerei Kaiser geholt hatte. Angeführt wurde der Trauerzug von dem pechschwarzen Leichenwagen. Das Pferd hatte eine übergelegte, gestickte, schwarzer Decke und sogar die Hufe waren geschwärzt. Ihm schloss sich der Pfarrer mit der Trauergemeinde an. Das Grab auf dem Friedhof hatte der Glöckner oder später die Waldarbeiter ausgehoben. Am Grab sprach der Pfarrer die letzten Worte und der Sarg wurde von den Sargträgern hinabgelassen. Die Schulkinder sangen dann noch das folgende Lied und bekamen später einen Reihweck zur Belohnung.

1. So nimm denn meine Hände und führe mich
Bis an mein selig Ende und ewiglich!
Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt;

Wo du wirst geh'n und stehen, da nimm mich mit.

 

2. In dein Erbarmen Hülle mein schwaches Herz
 Und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz.
 Laß ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind;
 Es will die Augen schließen und glauben blind.
 

3. Wenn ich auch gleich nicht fühle Von deiner Macht,
 Du bringst mich doch zum Ziele, Auch durch die Nacht.
 So nimm denn meine Hände und führe mich
 Bis an mein selig Ende und ewiglich!  :I

 

Falls der Verstorbene, wie z. B. der Vater von Helma Höhn, im Kriegerverein war,  wurde für ihn Salut geschossen. Die Verwandten und Nachbarn kamen zum Triester im Hause des Verstorbenen zusammen. Falls die Räumlichkeiten zu klein waren, ging man zu den Nachbarn. Es gab traditionell Reihweck oder Streuselkuchen und Kaffee. Später fand das Triester dann auch in einem der zwei Wirtshäuser statt.

 

 

Unbekannter Sarg, vor einem Haus aufgebahrt

 

Familie Buff bei einem Begräbnis

 

 

Leichenwagen ähnlich wie in Bärstadt

 

Triester bei der Familie Buff

Der Offenbacher Patenonkel von Philipp Kaiser vermittelte den Leichenwagen. Dieser wurde dann von Heinrich Schäfer („Sanne Heine“) abgeholt. Bei strengem Winter musste hin und wieder auch ein Pferdeschlitten zum Transport des Leichnams genutzt werden. Der Leichenwagen wurde bis in die 50er Jahre gebraucht, ehe er durch das motorisierte Dreirad von Fritz Besier („de Schreiner“) abgelöst wurde. Der Verstorbene wurde dann nämlich nicht mehr Zuhause aufgebahrt, sondern konnte ab 1955 in die (alte) Trauerhalle gebracht werden.